Dass der Rasen in Großbritannien besser gepflegt wird als die Außenpolitik, ist weithin bekannt. Im Land der Lawn Games, Park-Picknicks und der Chelsea Flower Show gehört die Rose selbstverständlich dazu – nicht nur ins Beet, sondern ins nationale Selbstverständnis. Sie ist Symbol, Stolz und Projekt zugleich. Die Queen of Flowers blüht im Juni und Juli. Und wer in dieser Zeit durch Englands klassische Rosengärten streift, merkt schnell: Sie ist kein Nebendarsteller im Garten. Sie ist die Königin des Ganzen. Das ist kein Kitsch. Das ist Kultur.
Sissinghurst Castle – Die Rose als Lebenswerk
Der berühmteste Rosengarten Englands ist eine Hommage an eine Frau, die genau wusste, was sie wollte: Vita Sackville-West. Die Schriftstellerin, Adlige und Gärtnerin hat Sissinghurst Castle in Kent in ein botanisches Gesamtkunstwerk verwandelt. Die Rosengärten sind ihr zentrales Kapitel. Üppige Beete, Mauern aus Klinker und Kalkstein, dazwischen alte Sorten, Kletterrosen und zartduftende Wildrosen, die sich ranken, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Die Farbpalette ist kuratiert, nicht bunt – Rosa, Weiß, Creme, dazu ein Hauch von Violett. Man flaniert hier nicht, man wandelt. Und versteht spätestens beim Pausieren auf der Gartenmauer, warum dieser Ort fast religiöse Verehrung erfährt.
Queen Mary’s Garden im Regent’s Park – Londons Rosen-Kathedrale
Mitten in London, zwischen Zoo, Theater und Tennisplätzen, liegt ein Garten, der nicht urban wirkt, sondern zeitlos. Der Queen Mary’s Garden im Regent’s Park versammelt mehr als 12.000 Rosenpflanzen mit über 85 Sorten. Der Duft liegt süß und schwer in der Luft, sobald der Juni beginnt. Hier geht man nicht wegen der Namen hin – auch wenn Sorten wie Royal William, Iceberg oder Peace den Besuch wert sind. Man kommt wegen der magischen Wirkung. Es ist ein Ort, an dem selbst die Zeit innehält, während man von einer Pergola zur nächsten wandert und immer wieder stehen bleibt, um zu schnuppern und zu staunen.
Mottisfont Abbey – Alte Mauern, neue Blüte
In Hampshire, eingebettet in ein altes Klosteranwesen, liegt der Rosengarten von Mottisfont – ein Refugium für Historiker, Duftliebhaber und Nostalgiker gleichermaßen. Die Sammlung alter Rosen wurde von Graham Stuart Thomas kuratiert, dem vielleicht einflussreichsten Rosengärtner des 20. Jahrhunderts. Hier wachsen keine Modeblüten, sondern solche mit Geschichte: Gallica, Bourbon, Damascener – jede Sorte hat ihre eigene. Wer im Juni und Juli kommt, steht in einer Blütenflut, die sich nicht nachahmen lässt – zumindest bis zum nächsten Jahr.
Harlow Carr – Der diskrete Charme des Nordens
Etwas abgelegen, in Yorkshire, liegt ein Garten, der keine Royal Residence, aber ein echter Geheimtipp ist. Harlow Carr, gepflegt von der Royal Horticultural Society, ist kein klassischer Schlossgarten, sondern eine moderne Interpretation englischer Gartentradition. Zwischen Wildwiesen, Wäldern und Wasserläufen findet sich ein Rosengarten, der sich weniger präsentieren als seine Besucher überraschen will. Kein Prunk, sondern Präzision in der Pflanzung. Zwischen Stauden und Gräsern leuchten alte Sorten, die mehr an die herrlich wilde Landschaft des Lake District erinnern als an die geplante Gestaltung eines Gartens.
Apropos Prunk: David Beckham gärtnert auch
Auch David Beckham hat längst seinen grünen Daumen entdeckt. In seinem Garten in den Cotswolds pflanzt er – natürlich – nichts Geringeres als die Queen of Sweden-Rose von David Austin. (Das weiß ich so genau, weil ich sie ihm nachgekauft habe.) Sein Garten wirkt allerdings keineswegs protzig – ganz im Gegenteil. Zwar ist sein Anwesen nicht öffentlich zugänglich, aber dank Social Media bekommt man immerhin einen kleinen Einblick in das florale Familienleben der Beckhams. Schade nur, dass man seinen Garten nicht selbst erkunden kann – aber vermutlich würde selbst Sissinghurst dann ein wenig nervös werden.
„Für mich soll’s rote Rosen regnen“
Wer einmal durch Englands klassische Rosengärten spaziert ist, weiß: Rote Rosen haben natürlich ihren Reiz – das wusste schließlich schon Hildegard Knef. Doch die Königin der Blumen kann mehr als nur Pathos in Purpur. Sie kommt auch in Zartrosa, Elfenbein, fast Schwarz oder in einem gebrochenen Apricot-Ton, das in keinem Instagram-Filter vorkommt. Die Rose steht für Vielfalt, Verführung und für ein Versprechen. Eines, das nur ein paar Wochen dauert – und genau deshalb unvergesslich bleibt.
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