Telefon

Unseren Service erreichen Sie
täglich von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter
0800 202 032

Eine schöne englische Landschaft
BLOG
Die feine englische Art

Hiraeth – Das walisische Wort für Sehnsucht

Hiraeth – Das walisische Wort für Sehnsucht

In Wales gibt es ein Wort, das kein einfaches deutsches Gegenstück hat: Hiraeth. Es beschreibt ein Gefühl, das viele kennen, aber selten benennen können. Eine Mischung aus Sehnsucht, Heimweh, Traurigkeit und dem Wissen, dass etwas fehlt. Es geht dabei nicht nur um Dinge, die man verloren hat, sondern auch um das, was man nie hatte. Ein Zuhause, das es nicht mehr gibt. Ein Leben, das vielleicht anders verlaufen wäre. Oder ein Ort, an dem man nie war, der sich aber trotzdem vertraut anfühlt.

Das Wort setzt sich aus den walisischen Bestandteilen „hir“ für lang und „aeth“ für Schmerz oder Kummer zusammen. Es ist alt und taucht schon in früher walisischer Dichtung auf. Oft ging es dort um vermisste Menschen, um vergangene Zeiten oder um die Trauer über ein verlorenes Heimatgefühl.

Hiraeth ist tief verwurzelt in der walisischen Kultur. Wales wurde bereits im 13. Jahrhundert vom englischen König Edward I. erobert und gehört seitdem zum Einflussbereich der englischen Krone. Über die Jahrhunderte gingen viele Aspekte der walisischen Identität verloren oder wurden verdrängt. Auch die walisische Sprache war stark bedroht: Noch Mitte des 20. Jahrhunderts wurde sie in vielen Schulen unterdrückt. Heute hat sich das Blatt gewendet. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung spricht vor allem im Norden des Landes wieder Walisisch. Und gerade bei den jungen Leuten erlebt die Sprache eine kleine Renaissance, auch weil sie als Symbol für Stolz und Zugehörigkeit gilt. Wer mehr darüber wissen möchte, findet weitere Informationen im Blogbeitrag „Walisisch – kein Kauderwelsch, sondern eine trendige Sprache“.

Es gibt andere Sprachen, die ähnliche Gefühle beschreiben. Das Portugiesische kennt Saudade (eine bittersüße Sehnsucht nach etwas Vergangenem), das Türkische Hüzün (eine kollektive Melancholie mit historischen Wurzeln), im Japanischen gibt es Natsukashii (ein sanftes Gefühl der Nostalgie beim Erinnern an schöne Momente). Doch sie alle erfassen nur annähernd, was Hiraeth bedeutet.“ Während Saudade oft mit stiller Akzeptanz verbunden ist, steckt in Hiraeth mehr Schmerz über das, was fehlt – oder nie war.

Hiraeth erinnert mich manchmal an das Gefühl, das uns überkommt, wenn wir alte Fotos durchblättern. Bilder aus einer Zeit, die nicht mehr zurückzuholen ist – von Menschen, die vielleicht nicht mehr da sind, von Orten, die sich verändert haben, oder von Momenten, die nur in unserer Erinnerung weiterleben. Dieses leise Ziehen im Herzen, das uns an das Vergangene bindet, obwohl wir wissen, dass wir dorthin nicht zurückkehren können – das kommt dem, was Hiraeth meint, sehr nahe.

In Wales begegnet einem das Wort in Liedern, Gedichten, auf Postkarten oder ganz beiläufig in Gesprächen. Manche fühlen es beim Anblick des Meeres, andere bei der Erinnerung an ein Leben, das hätte sein können. Hiraeth ist nicht nur traurig. Es hat auch etwas Schönes, etwas Weiches, etwas sehr Menschliches.

Vielleicht trifft es genau das, was viele manchmal spüren, ohne ein Wort dafür zu haben.

Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Redaktion sich die Entscheidung vorbehält, ob und wann Ihr Leserbrief an dieser Stelle veröffentlicht wird.

Ihre E-Mail Adresse, den Vornamen und Ihren Namen benötigen wir zur Direktkommunikation zu Ihrer Veröffentlichung, etwa um Missbrauch und Fälle von Rechtsverletzungen unterbinden zu können. Ihre Daten werden ausschließlich in Zusammenhang mit dieser Kommentarfunktion genutzt und zu diesem Zweck in elektronischer Form gespeichert. Eine Weitergabe Ihrer Daten oder Teile davon erfolgt ausdrücklich nicht. Die entsprechende Datennutzung akzeptieren Sie mit dem Ausfüllen und Absenden dieses Formulars. Weitere Informationen zum Schutz Ihrer persönlichen Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte füllen Sie das Formular aus (alle Felder müssen ausgefüllt sein).

Leserbriefe (0)

Keine Leserbriefe gefunden!

Neuen Leserbrief schreiben

Mehr aus der Rubrik "Sprachecke"

Hiraeth – Das walisische Wort für Sehnsucht

Sprachecke | von Sandra Wickert

In Wales gibt es ein Wort, das kein einfaches deutsches Gegenstück hat: Hiraeth. Es beschreibt ein Gefühl, das viele kennen, aber selten benennen…

Weiterlesen
Die Evolution der britischen Sprache

Sprachecke | von Judith Heede

Von Shakespeare zum modernen Slang

Die englische Sprache ist wie eine Tasse Tee mit einem Schuss Whisky: traditionell, aber mit einer besonderen…

Weiterlesen
Die schönsten irischen Segenswünsche

Sprachecke | von Petra Milde

Ein Schritt ins neue Jahr ist immer auch ein bisschen ein Schritt ins Ungewisse. Trotz aller Planung und vieler Termine, die schon für 2025 im…

Weiterlesen
Ein Ausschnitt des berühmten Teppich von Bayeux

Sprachecke | von Stephan Mark Stirnimann

Ein Erbe der normannischen Eroberung

Woher kommt es, dass man bei britischen Autorinnen (etwa Daphne du Maurier), britischen Militärs (wie Sir Peter…

Weiterlesen