Von Shakespeare zum modernen Slang
Die englische Sprache ist wie eine Tasse Tee mit einem Schuss Whisky: traditionell, aber mit einer besonderen Würze. Sie hat sich über Jahrhunderte hinweg verändert, angepasst und – wie die Briten selbst – stets eine gewisse Eigenwilligkeit bewahrt. Von Shakespeare, der mehr als 1.700 neue Wörter prägte, bis hin zu „innit“ und „bruv“ aus dem modernen Londoner Slang – das Englische auf der Insel wandelt sich ständig und bleibt dennoch unverkennbar britisch. Doch wie ist es dazu gekommen? Und warum klingt ein Gespräch zwischen einem Oxford-Professor und einem Jugendlichen aus East London manchmal so, als würden sie zwei völlig verschiedene Sprachen sprechen?
Shakespeare – Der Großmeister der Wortneuschöpfung
Beginnen wir mit William Shakespeare, dem Mann, der nicht nur die englische Literatur revolutionierte, sondern auch das Vokabular der Sprache massiv erweiterte. Der Barde von Stratford-upon-Avon brachte Begriffe wie „bedazzled“ (verblüfft), „gloomy“ (düster) oder „swagger“ (prahlen) in den Sprachgebrauch – Begriffe, die heute aus dem Englischen nicht mehr wegzudenken sind. Und als ob das nicht schon genug wäre, hat er uns auch viele heute noch gebräuchliche Redewendungen hinterlassen, darunter „break the ice“, „heart of gold“ oder „wild-goose chase“.
Erfand er all diese Worte wirklich? Nun, nicht ganz. Shakespeare war eher eine Art sprachliches Trüffelschwein, das existierende, aber selten genutzte Wörter aufgriff, veränderte oder kreativ in neue Kontexte einbaute. Sein Einfluss war so groß, dass geschätzt 10 % aller heute noch gebräuchlichen englischen Wörter entweder von ihm stammen oder durch ihn populär wurden (Oxford English Dictionary, 2020).
Von der Sprachpolizei zu Dickens Cockney-Englisch
Nach Shakespeare blieb die englische Sprache natürlich auch nicht stehen. Im 18. Jahrhundert versuchten Gelehrte, die Sprache zu standardisieren – mit mäßigem Erfolg. Samuel Johnsons „A Dictionary of the English Language“ (1755) sollte Ordnung ins Chaos bringen, enthielt aber so manche Definition, die eher wie persönliche Kommentare als wissenschaftliche Erklärungen wirkten. Das Wort „oats“ definierte Johnson etwa als „Getreide, das in England Pferden und in Schottland den Menschen zu essen gegeben wird“. Das nennt man wohl typisch britischen Humor.
Während die Oberschicht an ihrer formellen Sprache feilte, entwickelten sich in den Straßen Londons alternative Sprachformen. Der Cockney-Slang, berühmt gemacht durch Charles Dickens in Romanen wie Oliver Twist, brachte poetische Wortspiele und kreative Abkürzungen ins Spiel. „Apples and pears“ für Treppen, „trouble and strife“ für die Ehefrau – und wer nicht aufpasste, verstand plötzlich nur noch Bahnhof.
Das britische Englisch auf Welttournee
Mit dem britischen Empire begann eine neue Phase für die Sprache. Englisch wurde zur Weltsprache, aber nicht ohne dabei von anderen Kulturen beeinflusst zu werden. Aus Indien kamen Wörter wie „bungalow“, „shampoo“ oder „jungle“ ins Englische, während Australien seinen Teil mit „boomerang“ und „kangaroo“ beitrug.
In dieser Zeit verfestigten sich die Unterschiede zwischen British English und American English. Der berühmte Streit um „colour“ vs. „color“ oder „theatre“ vs. „theater“ geht auf Noah Webster zurück, der 1828 sein eigenes Wörterbuch veröffentlichte und entschied, dass das Englische in Amerika ein wenig „einfacher“ sein sollte. Die Briten fanden das natürlich typisch amerikanisch – ungeduldig und pragmatisch.
Moderne Zeiten, moderner Slang
Kommen wir zur Gegenwart: Während das Queen’s English in Schulen gelehrt wird, spricht ein Großteil der Bevölkerung einen bunten Mix aus Dialekten, Akzenten und modernem Slang. Besonders in London hat sich mit Multicultural London English (MLE) ein neuer Dialekt entwickelt, der von karibischen, südasiatischen und afrikanischen Einflüssen geprägt ist. Hier entstehen Begriffe wie „bare“ (sehr/viel), „mandem“ (Gruppe von Freunden) oder „peng“ (attraktiv).
Auch die moderne Form der Kommunikation – sprich: das digitale Chatten – hat ihren Teil dazu beigetragen, die Sprache noch weiter zu verändern. „LOL“, „Bae“ und „FOMO“ sind längst auch in der gesprochenen Sprache angekommen – zum Entsetzen derjenigen, die sich noch an eine Welt erinnern, in der „tweeten“ etwas war, das nur Vögel machten.
Eine Sprache im ständigen Wandel
Die britische Sprache ist wie ein bewegliches Ziel. Shakespeare würde sich vermutlich im Grab umdrehen, wenn er hören könnte, wie Jugendliche heute sprechen, aber genau das macht die englische Sprache so faszinierend. Die Briten haben es verstanden, ihre Sprache nicht nur zu bewahren, sondern auch ständig weiterzuentwickeln – mal mit ihrem typischen Humor, mal mit einer gehörigen Portion Selbstironie.
Und was lernen wir daraus? Wer wirklich Englisch lernen will, sollte sich nicht nur mit Grammatikbüchern beschäftigen, sondern auch mal ein Dickens-Roman lesen, Shakespeare zitieren und zwischendurch ein britisches Fußballspiel schauen. Denn nur so versteht man wirklich, warum „cheeky pint“ nicht einfach nur ein Bier bedeutet und warum die Briten es lieben, sich mit „Alright, mate?“ zu begrüßen, und die Iren mit „What about you?“ – auch wenn sie auf die Antwort sicherlich nicht warten.
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