Wer kennt nicht mindestens eines der weltbekannten Werke von Charles Dickens? „Eine Weihnachtsgeschichte“ um den kaltherzigen Ebenezer Scrooge begleitet uns in jeder Weihnachtszeit, aber auch „Oliver Twist“ oder „David Copperfield“ werden gerne im selben Atemzug genannt. Doch wer war dieser Mann mit dem außergewöhnlichen Talent, der mit seinen Geschichten stets auf die Missstände der Gesellschaft aufmerksam machen wollte?
Ein bewegtes Leben
Geboren wurde Charles Dickens am 07. Februar 1812 als zweites von acht Kindern in Landport bei Portsmouth. Durch sein verschwenderisches Elternhaus musste er bereits als Kind in einer Lagerhalle arbeiten und um das finanzielle Überleben seiner Familie kämpfen, während sein Vater im Gefängnis saß und seine Mutter mit den sieben Geschwistern ebenfalls dorthin zog. Seine Erfahrungen verarbeitete er später literarisch und thematisierte beispielsweise Kinderarbeit, Hunger und Armut. Im Alter von 12 Jahren wurde er Hilfsarbeiter in einer Fabrik für Schuhpolitur. Drei Jahre später machte er eine Ausbildung zum Schreiber bei einem Anwalt, was ihn dazu inspirierte, zunächst Artikel für Zeitungen zu verfassen und schließlich seinen ersten Roman „The Pickwicker“, der ebenfalls in 20 Fortsetzungen in der Zeitung erschien. Er heiratete Catherine Hogarth und hatte mit ihr zehn Kinder. Bis zu seinem Tod am 09.06.1870 im Alter von 58 Jahren arbeitete er als Journalist und Schriftsteller. Charles Dickens wurde in der Westminster Abbey beigesetzt. Er veröffentlichte 25 Werke und ist bis heute einer der meist gelesenen Schriftsteller der englischen Literatur.
Eine Weihnachtsgeschichte – der Klassiker
Charles Dickens, beeinflusst durch seine eigene Kindheit, konnte die sozialen Ungerechtigkeiten um ihn herum nur schwer ertragen. Zwar realisierte man in der viktorianischen Zeit, dass es viele Arme gab, allerdings wurde ihnen auch die Schuld an ihrer eigenen Misere zugeschrieben, sodass man Arbeitshäuser einrichtete, die diese Menschen auf den rechten Weg zurückführen sollten. Aufgrund seiner Erfahrungen war Dickens in der Lage, sich in die unterschiedlichsten Figuren, die er literarisch erschuf, hineinzuversetzen. Sie spiegeln häufig Personen aus seinem eigenen Leben.
In „A Christmas Carol“ wird die Aufmerksamkeit gezielt auf die Not der Armen und deren damalige Stellung in der Gesellschaft Englands gelenkt. Veröffentlicht wurde das Werk am 19. Dezember 1843 mit Illustrationen von John Leech. Es ist ein Appell an Nächstenliebe und Mitgefühl, passend zu Weihnachten, aber auch zu jeder anderen Jahreszeit.
Die Lesenden bekommen es mit dem Antihelden Ebenezer Scrooge zu tun, einem herzlosen Geschäftsmann, der nichts von Weihnachten hält und vor lauter Selbstsucht sein eigenes Leben versäumt hat. Im Laufe der Geschichte wandelt er sich zu einem gütigen und freundlichen Herrn, dem das Wohl der anderen mehr bedeutet als sein eigenes. Am Heiligen Abend erscheint ihm der Geist seines ehemaligen Geschäftspartners Jacob Marley, der zu Lebzeiten charakterlich ähnlich gestrickt war wie sein Kompagnon und der als Geist dazu verdammt ist, rastlos umherzuirren und darunter zu leiden, dass er nun niemandem mehr helfen kann, der Not leidet. Er trägt die schweren Ketten seiner unbarmherzigen Vergangenheit mit sich und kann sich nicht von ihnen lösen. Marley prophezeit Scrooge ein ähnliches Schicksal, wenn er sein Leben nicht grundlegend ändert. Es erscheinen nacheinander der Geist der vergangenen Weihnacht, der Geist der gegenwärtigen Weihnacht und der Geist der zukünftigen Weihnacht, die den alten Geizhals läutern. Ebenezer Scrooge wird zu einem guten Menschen, der das Weihnachtsfest ehrt und sein Leben der Nächstenliebe widmet.
Damals und heute
Die Geschichte erfreute sich bereits zu Lebzeiten Dickens großer Beliebtheit, denn neben den gruseligen Elementen einer Geistergeschichte gipfelt sie doch auch in der fröhlichen und festlichen Weihnachtsstimmung auf eine typisch englische Art.
Auch heute hat sie nach wie vor Hochkonjunktur und nicht an Aktualität verloren. Neben unzählbaren Verfilmungen in den kuriosesten Varianten und immer im Gewand der jeweiligen Zeit, entwickelte sich der Name Scrooge im Verlauf der Jahre und Jahrzehnte zum Synonym für Habgier. Selbst Onkel Dagobert heißt im englischen Original „Uncle Scrooge“.
1970 wurde „A Christmas Carol“ erstmals zum Musical mit Albert Finney in der Hauptrolle. Für seine Leistung bekam er den Golden Globe. Mickys Weihnachtserzählung wurde zur ersten Zeichentrick-Variante mit Dagobert Duck als Geizhals. Handelte es sich im England des 19. Jahrhunderts noch um Gesellschaftskritik, so mutierte die Geschichte spätestens mit „Die Muppets Weihnachtsgeschichte“ im Jahr 1992 zur Komödie. Selbst die Sesamstraße und den Broadway hat Scrooge erobert.
Eines scheint nahezu sicher zu sein: Es wird immer wieder neue Varianten von der wahrscheinlich berühmtesten Geschichte von Charles Dickens geben. Denn auch heute brauchen wir ihn ebenso wie die Menschen im viktorianischen England: den Appell an Nächstenliebe!
Und so wie Ebenezer Scrooge es erkannt hat, sollten auch wir stets verinnerlichen:
„Die Wege der Menschen deuten ein bestimmtes Ende voraus, auf das sie hinführen, wenn man auf ihnen beharrt. Aber wenn man von den Wegen abweicht, ändert sich auch das Ende.“
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