Per pedes (oder auf gut Deutsch "zu Fuss") und mit einer Portion Glück bereisten wir diesen Sommer die Orkney Inseln und gingen mit den sogenannten Orkadiern, den rund 20.000 Bewohnern dieses 62 Inseln grossen Archipels, auf Tuchfühlung. Leidglich 16 davon sind bewohnt. Es erwarteten uns nicht nur sagenhafte Ausgrabungsstätten, die vom Alter her weiter zurück als die Pyramiden von Ägypten reichen, sondern ein außergewöhnliches, mit der Zeit gehendes Inselvölkchen, das Gästen gegenüber sehr aufgeschlossen ist. Der Orkney Dialekt unterscheidet sich stark vom Schottischen, denn sowohl Orkney, als auch die weiter nord-nordöstlich liegenden Shetland Inseln gingen 1468 als Pfand für die Mitgift von Norwegen an den damaligen schottischen König James III. Weil dieser das Geld der Mitgift nie bezahlte, annektierte das Königreich die Inseln ein paar Jahre später. Bis dahin dominierten daher skandinavische Sprachen auf den Inseln. Wer steile, windgepeitschte Klippen, dann wieder sanfte Hügel, viel Meer, Steinkreise und Wikinger liebt, wird auf Orkney fündig.
Das Licht des Nordens und mein Reisesegen
Ein optimaler Start für das Eintauchen in die Kultur dieser Inselwelt ist etwa ein Besuch der Sankt Magnus Kathedrale in der Hauptstadt Kirkwall. Sie wurde zu Ehren des christlichen Wikingers Magnus anno 1137 gestiftet und bewahrt seine Reliquien. Durch die Verwendung von Sandstein in zwei Farben erhält das „Kleid“ der Kathedrale ein einzigartiges Aussehen. Ein von der früheren Queen Elisabeth II im Jahre 1987 enthülltes Buntglasfenster ist auf der westlichen Seite zu finden. Der Gottesdienst findet sonntags um 11 Uhr statt und wurde während unseres Besuches von der Pfarrerin Elinor Gordon geleitet. Wer möchte, kriegt bei ihr noch einen persönlichen Reisesegen! Empfehlung: Es gibt eine geführte Tour in das für den Hauptstrom der Touristen verborgen bleibende höhere Geschoss, wo man nach dem Aufsteig auf einer steilen Wendeltreppe den Raum der Bell Ringers und die großen Glocken bestaunen kann. Die Führung ist ab 16 Jahren und kostet pro Person 15 Britische Pfund. Am Schluss wird man mit der Aussicht auf Kirkwall belohnt und bekommt gleich Lust, das Hafenstädtchen weiter zu entdecken.
Inselhopping und Whalewatching
Ob mit kostengünstigem Taxi (inklusive wertvollen Tipps zu aktuellen Anlässen), zu Fuß, auf dem Velo, mit dem Bus, der Fähre oder dem Flugzeug – weil wir bewusst auf ein Mietauto verzichtet hatten, erlebten wir die Inseln auf ganz unterschiedlichen Arten. Und da die Fähr- und Flugzeugverbindungen vom Staat subventioniert werden, kommt man auch als Tourist recht günstig herum. Wir entschieden uns für einen Sprung auf die Insel Shapinsay und besuchten eines der vielen Vogelschutzreservate. Dort stehen jeweils kleine Beobachtungshütten mit Bestimmungstafeln und Gucklöchern. Tipp fürs Gepäck: Feldstecher einpacken! Die Erkundungstour auf der Insel belohnte uns mit einer Begegnung mit einem Seehund, der sich in einer Bucht gerade im seichten Wasser tummelte. Whalewatching ist im Moment auch sehr „in" auf den Inseln, vor allem die Orca Sichtungen werden laufend in dieser Facebookgruppe gepostet. Außerdem bestaunten wir noch die von den Briten angelegten Bunker- und Geschützanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Wer nicht gezwungen werden möchte, auf einer solchen Insel zu übernachten, sollte sich unbedingt die Abfahrtzeit der letzten Fähre zurück aufs Festland merken! Jede Insel versprüht ihren eigenen Charme. So gibt es auf Sanday weiße, karibisch anmutende Strände oder auf North Ronaldsay weitere Vogelschutzgebiete, die weltweit bei Ornithologen bekannt sind. Die vier mal zwei Kilometer große Insel Egilsay besitzt eine sogenannte Rundturmkirche aus der Wikingerzeit und ein weiteres Vogelschutzgebiet. Hier brütet etwa der extrem selten gewordenene Wachtelkönig. Die 26 Einwohner leben von Viehhaltung und der Fischerei.
Eintauchen in die Folklore – Der Pub als Infocenter
Dank eines Tipps, den wir in einem Pub bekamen (ja, das Pub ist wirklich noch ein wertvolles Infocenter auf den britischen Inseln), erfuhren wir von einer Tanzshow in der Halle des Royal British Legion in Kirkwall. Diese Vereinigung umfasste nach dem ersten Weltkrieg ehemalige Wehrmänner und ist seither ein beliebter Treffpunkt. Mittlerweile sind dort alle Menschen willkommen. Wir erlebten typische Tänze aus Orkney – sogar eine kleine Band spielte auf und last but not least waren die Getränke und Snacks an der Theke günstiger als anderswo. Übrigens wissen es bereits die eingefleischten Fans: Weil man in Großbritannien jeweils an der Theke einer Bar bestellen (und wieder dort bezahlen) muss, kommt man unweigerlich ins Gespräch mit den „locals“, also den Einwohnern, und erfährt gleich wo etwas los ist.
Lokale Juwelierdesigner boomen
Ein großer Magnet auf den Orkney Inseln sind die Juweliershops, denn es gibt einige lokale Designerinnen. Eine davon, Sheila Fleet, haben wir in ihrem Shop (Showroom) in einer ehemaligen und umgebauten Kapelle besucht. Diese liegt unweit der Hauptstadt Kirkwall. Gleich daneben lädt das Jewellery Café ein. Und wer zum Schluss einen Blick über ihre Schultern werfen möchte, der darf dies offiziell im Workshop tun. Jedes ihrer Stücke ist höchstpersönlich von ihr entworfen. Für ihre Verdienste mit Schmuckwaren wurde sie vor einigen Jahren in Buckingham Palace mit dem OBE (Order of the British Empire) ausgezeichnet. Sie ist nun eine der bekanntesten Schmuckdesignerinnen Schottlands. Mehr über sie erfahren Sie hier: www.sheilafleet.com
Leserbriefe (1)
Lisa Bianculli
am 24.08.2024Ich wusste gar nicht, dass auf diesen Wikingerinseln auch christliche Wikinger gewirkt haben. Vielleicht bringen Sie einmal etwas über die Fair Isles, von dort soll der Fair Isle Pullover stammen!
Liebe Grüsse
L. Bianculli