Stolze Schiffe und ihr Untergang
Schiffe in Seenot und Wracks auf dem Meeresboden haben immer wieder Maler, Dichter, Geschichtenerzähler und auch die Wissenschaft inspiriert. Sie erscheinen auf Bildern von William Turner und in Romanen wie Daniel Defoes „Robinson Crusoe“; sie gehen, Beispiel Titanic, in regelmäßigen Abständen auf der Kinoleinwand unter und tauchen in Geistergeschichten, von Untoten bevölkert, aus dem Nebel auf. Was je nach Sichtweise romantisch, spannend oder gruselig auf uns wirkt, hat einen traurigen Hintergrund, denn natürlich ließen bei diesen Unglücken viele Menschen ihr Leben. Von ihnen fehlt, Gesetz der Natur, jede Spur, während die Schiffe, die sie in die Tiefe rissen, teilweise erstaunlich gut erhalten sind.
Die Britischen Inseln, Irland mitgerechnet, halten einen Rekord: Ihre Küsten sind von rund 50.000 versunkenen Schiffen umgeben. Manche liegen so nah an Land, dass sie bei Ebbe sichtbar werden, andere weit draußen. Auf einer Karte, die man sich anschauen kann, scheinen die Inselumrisse wie von einem Bienenschwarm – oder sagen wir Quallenschwarm – umgeben.
Dass eine Seefahrernation wie Großbritannien im Lauf ihrer Geschichte Schiffe verliert, liegt auf der Hand. Aber die Konzentration ist schon ungewöhnlich hoch und weltweit wahrscheinlich sogar die höchste. Der Grund (neben regem Schiffsverkehr): Die Küsten sind teilweise sehr tückisch mit verborgenen Felsen, Sandbänken, Strömungen. Noch heute, im Zeitalter bester Navigationstechnik, gelten zum Beispiel die Goodwin Sands vor Kent als richtig gefährlich. Und wie wir alle schon in den Nachrichten gesehen haben, gilt noch immer der alte Grundsatz: Wasser hat keine Balken. Wenn ein Schiff sinkt, dann wird es ernst (selbst dann, wenn der Kapitän nicht, wie es bereits vorgekommen ist, als erster von Bord geht).
Viele der Wracks vor der Küste stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, der Hoch-Zeit des Empires mit viel Import, Truppen- und Personenverkehr. In Kriegen, vor allem im Zweiten Weltkrieg, sind zahlreiche Schiffe und auch U-Boote versenkt worden. Die Angst der Menschen an Bord mag man sich gar nicht vorstellen. Mancher Fischkutter schlug leck, anderen Schiffen wurden Stürme zum Verhängnis. Jede Geschichte, sofern man sie noch rekonstruieren kann, ist anders.
Eins der berühmtesten Schiffwracks der englischen Geschichte liegt heute aber nicht mehr auf dem Meeresboden, sondern steht in Portsmouth in einem eigenen Museum. Die „Mary Rose“ war ein stolzes Kriegsschiff und hatte schon über dreißig Jahre Wasser unter dem Kiel, als sie 1545 – vor den Augen von König Heinrich VIII. – in einem Seegefecht in der Meerenge Solent unterging. Warum, ist bis heute umstritten. Möglicherweise geriet sie in eine Bö, oder diverse Umbauten waren zu Lasten der Stabilität gegangen. Jedenfalls wurde sie 1982 gehoben, in liebevoller Detailarbeit restauriert und ist heute die Hauptattraktion im Maritim-Museum Portsmouth Historic Dockyard.
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