„A nice chat“ gehört eigentlich zum Lebensgefühl in Großbritannien: Ein paar Sätze wechseln, nicht unbedingt mit Tiefgang, aber freundlich und positiv – das macht gute Laune und fällt den Meistern des Smalltalks leicht. Trotzdem scheint der Schwatz über den Gartenzaun oder vor der Wohnungstür auf der Roten Liste der aussterbenden Kulturtechniken zu stehen. In Umfragen wurde jüngst festgestellt, dass 20 Prozent der Briten noch nie mit ihren Nachbarn gesprochen haben, 40 Prozent wissen nicht, wie die Leute nebenan heißen. Der Grund liegt vermutlich im modernen Lebensstil mit langen Arbeitszeiten und auch darin, dass Großfamilien eher die Ausnahme sind – viele Familienmitglieder bedeutet eben auch mehr Kontakte. Kein Wunder, dass Einsamkeit eins der größten Probleme unserer Zeit ist.
„The Big Lunch“, das große (Mittag-)Essen am 1. und/oder 2. Juni, will wieder Leben in die Nachbarschaften und die Leute miteinander ins Gespräch bringen. Seit 2009 ruft die Organisation Eden Project jeweils an einem Wochenende im Juni zu diesem Event auf. Die Idee ist simpel und auch ohne großen Aufwand umzusetzen: Veranstaltungsort auswählen – sei es ein Garagenhof, sei es eine Straße, die mit amtlicher Genehmigung gesperrt wird, sei es ein Privatgrundstück, sei es die Dorfhalle. Dann: Nachbarn einladen. Jeder bringt etwas zu essen und zu trinken mit. Natürlich kann man auch aufwendiger planen, eine Hüpfburg für die Kleinen organisieren, eine Band buchen, aber letztlich geht es nicht um die perfekte Party, sondern ums Zusammenkommen. Ein „Big Lunch“ kann auch klein sein und nur aus „tea and cake“ bestehen. Ganz wichtig ist allerdings die Flaggengirlande, „bunting“ genannt. Sie im Vorfeld gemeinsam zu fertigen, hat auch in symbolischer Beziehung etwas Verbindendes, deshalb wird die Anleitung auf der Website www.edenprojectcommunities.com gleich mitgeliefert.
Eden Project ist in erster Linie für den ungewöhnlichen botanischen Garten gleichen Namens in Cornwall bekannt (der mit den Gewächshäusern, die wie riesige halbierte Golfbälle aussehen). Die Organisation bemüht sich aber nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch ums Miteinander der Menschen und die Gemeinschaft. So rief sie unter anderem den Big Lunch ins Leben, bei dem in den letzten Jahren jeweils um die neun Millionen Menschen mitmachten.
Wir wünschen allen Beteiligten einen leckeren Lunch, viele tolle Gespräche und einen nachhaltigen Effekt auf die jeweilige Nachbarschaft. Und natürlich denken wir darüber nach, die Idee zu klauen und auch mal wieder ein Straßenfest auf die Beine zu stellen … vielleicht sogar im britischen Stil mit Scones und Co. und, ganz klar, Fähnchengirlanden.
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