Ganz allein auf seiner Insel
Wie würde es sich anfühlen, ganz allein und auf sich gestellt zu sein? Kein anderer Mensch weit und breit und nur eine sehr vage Hoffnung, dass sich das ändert? Dies muss ein Thema sein, dass uns als Menschheit kollektiv sehr beschäftigt. Vor 300 Jahren erschien der Roman „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe, wurde ein Riesenerfolg und wird seitdem nicht nur immer wieder neu aufgelegt, adaptiert und verfilmt, sondern hat auch zahlreiche andere Werke inspiriert. Zum Beispiel Science-Fiction-Filme wie „Passengers“ (Mann erwacht auf Raumfahrt-Mission als einziger an Bord 90 Jahre vor Ankunft) oder „Der Marsianer“ (Mann bleibt auf dem Mars zurück und baut dort Kartoffeln an) oder, schon etwas älter und wiederum auf einer echten Insel angesiedelt, „Cast Away“ (Mann kämpft ums Überleben und bespricht sich mit einem Ball namens Wilson).
Im Original hat der Romane einen ellenlangen Titel, der quasi die halbe Geschichte schon erzählt: „Das Leben und die seltsamen überraschenden Abenteuer des Robinson Crusoe aus York, Seemann, der 28 Jahre allein auf einer unbewohnten Insel an der Küste von Amerika lebte, in der Nähe der Mündung des großen Flusses Oroonoque; durch einen Schiffbruch an Land gespült, bei dem alle außer ihm ums Leben kamen. Mit einer Aufzeichnung, wie er endlich seltsam durch Piraten befreit wurde. Geschrieben von ihm selbst.“ (Danke, Wikipedia!) „Teasern“ geht anders. Für die damalige Zeit war das Buch aber eine Sensation. Autor Defoe hatte sich von einer wahren Geschichte anregen lassen: Ein Seemann namens Alexander Selkirk war 1704 von seinem Kapitän auf einer Insel ausgesetzt worden – raue Sitten! – und überlebte dort mehr als vier Jahre. Defoe soll sich mit Selkirk in Bristol getroffen haben.
Übrigens hat Crusoe deutsche Wurzeln. Seine Familie, so steht es im Buch, ist aus Bremen nach England ausgewandert und hieß eigentlich Kreutzner. Das hübsche Robinson-Crusoe-Haus in Bremen setzt diesem Umstand ein Denkmal, ist aber erst im 20. Jahrhundert gebaut worden.
Aus heutiger Sicht wird der Roman eher kritisch gesehen. Für Robinson ist nämlich völlig klar, dass sein Gefährte Freitag, den er vor Kannibalen errettet, sein Untergebener und Diener ist. Er gibt ihm auch einfach einen Namen und bekehrt ihn zum Christentum. Heute betrachten wir das als übergriffig und anmaßend. Auch war Crusoe auf Reisen, um Sklaven einzukaufen, als sein Schiff sank. Damit hatten Europäer damals ja gar kein Problem; es sollte noch einige Jahrzehnte dauern, bis sich allmählich eine Gegenbewegung gründete. Wie mit solchen Themen umzugehen ist, wird heiß diskutiert – nicht nur bei diesem Werk. Es ist aber problematisch, Kunstwerke zu verändern. Vielleicht reicht es, junge Leserinnen und Leser mit zusätzlichen Informationen zum Hintergrund zu versorgen und darauf zu vertrauen, dass sie das selbst richtig einordnen können.
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