Sein Klang ist ebenso außergewöhnlich wie seine Geschichte. Den Dudelsack verbinden wir landläufig mit Schottland und der Great Highland Bagpipe. Wer jedoch tiefer eintaucht in die Geheimnisse des Dudelsacks, der entdeckt eine Welt voller Überraschungen.
Kaum ein anderes Instrument vermag es, so viel Aufbruch, Melancholie und Feststimmung zugleich hervorzubringen wie der Dudelsack. Noch heute erklingt er auf Adventsmärkten, auf Hochzeiten oder Trauerfeiern. Im Laufe seiner Geschichte gab es zeitweise mehr als hundert unterschiedliche Ausprägungen der Sackpfeife. Die wohl bekannteste ist die Great Highland Bagpipe, Symbol der schottischen Seele und des Widerstands. „Die Herkunft des Dudelsacks ist bis heute nicht eindeutig geklärt“, sagt Dr. Ralf Gehler. Der Ethnologe, Historiker und Dudelsackspieler leitet das Zentrum für Traditionelle Musik am Freilichtmuseum für Volkskunde Schwerin-Mueß. Überlieferungen reichen bis in die Antike. Wirklich eindeutige Abbildungen stammen jedoch erst aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Europaweit tauchten seitdem Darstellungen auf, die Musiker mit Instrumenten zeigen, die dem heutigen Dudelsack gleichen. „Die Säcke bestanden aus Bälgen ganzer Tiere“, erzählt der Historiker. Erst ab dem 13. Jahrhundert sei die Existenz der Sackpfeife in Deutschland belegt, berichtet er. Zu dieser Zeit war sie bereits weit verbreitet – vor allem in Europa, Nordafrika und Kleinasien. Die größte Vielfalt an Dudelsäcken gab es jedoch in Europa. In jenen Tagen war es allerdings nicht die Great Highland Bagpipe, sondern vor allem die Schäferpfeife, die von Spanien über Frankreich bis Deutschland erklang. Einzelne Dudelsack-Typen unterschieden sich nicht nur regional, sondern auch innerhalb sozialer Schichten. Während etwa Hirten und Bauern die größere und lautere Schäferpfeife spielten, ertönte in der bürgerlichen Hausmusik das kleinere, zarter klingende „Hümmelchen“. Den sogenannten „Bock“ fand man dagegen in den Händen osteuropäischer Musikanten wieder. Seine Bedeutung und Beliebtheit büßte der Dudelsack innerhalb der Renaissance-Epoche des 15. und 16. Jahrhunderts ein. Der Dudelsack mit seinem dominanten Halteton und „schrägen“ Klang galt plötzlich als unschicklich. So verwundert es rückblickend nicht, dass zeitgleich der Name „Dudelsack“ aufkam und mit dem Wort „dudeln“ die mangelnde Wertschätzung gegenüber dem Instrument zum Ausdruck kam. Bis heute beschreibt der Duden den Gebrauch des Wortes als umgangssprachlich abwertend und „kunstloser Klang“.
„Pipes and Drums“
Innerhalb der höfischen Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts erfährt der Dudelsack nochmals einen kurzen Aufschwung, bevor er mit Beginn des 19. Jahrhunderts in der Öffentlichkeit verstummte. Die Abneigung gegenüber dem „Dudeln“ ging sogar so weit, dass die Engländer den Schotten nicht nur das Tragen eines Kilts, sondern auch das Dudelsackspiel verboten. Dies geschah Mitte des 18. Jahrhunderts, als das überlegene England Schottland eroberte (Schlacht von Culloden). Fortan durfte die Great Highland Backpipe mit ihrer jahrhundertealten Tradition ausschließlich innerhalb der britischen Militärmusik gespielt werden, wo sie gemeinsam mit Trommeln erklang. Die musikalische Einheit der „Pipes and Drums“ ist im Sprachgebrauch bis heute erhalten.
Symbol der Schotten
Trotz des Verbots sah die schottische Bevölkerung im Dudelsack weiterhin ein identitätsstiftendes Element, das es zu bewahren galt. „Wohl niemals wäre die Great Highland Bagpipe so berühmt geworden, wäre sie nicht zum Symbol der Schotten für ihren Kampf gegen die Engländer geworden“, erläutert Ralf Gehler. Mit der Verbannung in die Militärmusik verhalfen die Engländer dem Dudelsack sogar ungewollt zu weltweiter Bekanntheit. Denn mit der Ausbreitung des britischen Commonwealth erklang die Dudelsack-Musik nunmehr auf dem gesamten Globus. „Das erklärt das ausgeprägte Klischee vom Ursprung des Dudelsacks in Schottland“, sagt der Historiker. Doch nicht nur bei den Schotten, auch bei vielen weiteren gesellschaftlichen Gruppen und Ethnien erklingt das Instrument ab dem 19. Jahrhundert im Verborgenen wieder. Auch hier als identitätsstiftendes Symbol all jener, die sich um Selbstständigkeit bemühten und sich gegen die Übermacht einer Fremdregierung behaupten wollten. Dazu zählten neben den Schotten etwa Galizier, Bretonen, Sorben und Esten. Sie alle bildeten in der Abgeschiedenheit zahlreiche Dudelsack-Typen mit regionalen Varianten aus. Es sollte jedoch bis Mitte der 1970er-Jahre dauern, bis das Dudelsackspiel auch in Deutschland wieder zum Leben erwachte. Heute ist das Instrument nicht nur bei Frauen und Männern beliebt, auch viele Jugendliche begeistern sich für die Sackpfeife.
Dieser Beitrag ist Teil des umfangreichen Artikels „Spiel und Geschichte des Dudelsacks“ im Magazin „Landlust“, Ausgabe November/Dezember 2018. THE BRITISH SHOP bedankt sich herzlich bei der LV Publikumsmedien GmbH & Co. KG für die Veröffentlichungs-Erlaubnis.
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