Mit einer todernsten Reportage über die Spaghetti-Ernte im Tessin hat der Sender BBC im Jahr 1957 einen bis heute legendären Aprilscherz geschaffen. Das milde Frühjahr, so berichtete der Sprecher im zeittypisch vornehmen Zungenschlag, lasse die Spaghetti-Bäume ungewöhnlich üppig tragen, zur Freude der Schweizer Spaghetti-Bauern. Illustriert war das Ganze mit Bildern von ländlich gekleideten Menschen, die Pasta von den Zweigen ziehen und zum Trocknen in die Sonne legen, um sich dann fröhlich zum Nudelessen zusammenzusetzen. Tatsächlich fielen Hunderte Zuschauer auf den Witz herein, riefen bei der BBC an und baten um Tipps, wie sie selbst Spaghetti züchten könnten und ob diese Bäume wohl das britische Klima vertrügen.
Der „April Fool´s Day“, wie der 1. April auf Englisch heißt, erfreut sich in Großbritannien langer Tradition und wird angeblich erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt (und zwar in den „Canterbury Tales“ von Geoffrey Chaucer). Dass die Zuschauer auf eine solch absurde Geschichte hereinfallen konnten, lag wohl an zweierlei: Erstens wurde Fernsehen, in den 1950er-Jahren noch etwas ganz Besonderes, sehr ernst genommen. Längst nicht jede Familie hatte ein TV, und wenn doch, dann war es so etwas wie ein Schrein im Wohnzimmer, und was die Menschen darin zu sagen hatten, musste stimmen. Zudem war die Spaghettibaum-Geschichte Teil eines stockseriösen Magazins namens „Panorama“. Zweitens waren Pasta nicht sonderlich verbreitet. London hatte zwar einige italienische Restaurants, der Durchschnittsbrite kannte Spaghetti aber nur aus der Dose. Darin schwammen sie in Tomatensauce und wurden, ähnlich wie Baked Beans, auf Toast serviert (es gibt sie auch heute noch, die „spaghetti hoops“). Wie sie hergestellt wurden, darüber hatten sich die meisten Leute wohl wenig Gedanken gemacht.
Die Original-Reportage, die auch noch die Abwesenheit des Schädlings „spaghetti weevil“ bejubelt, ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=tVo_wkxH9dU
Anders als viele andere Aprilscherze ist dieser jedenfalls originell, völlig harmlos, in der Präsentation britisch unterkühlt und wahrscheinlich auch deshalb ein Klassiker.
Noch ein Aprilscherz rund ums Essen: 2015 wurde vom Hersteller „Marmite Clear“ lanciert, eine durchsichtige Version der würzigen Paste. 15 Jahre Forschungsarbeit sollten angeblich drinstecken. Hintergrund: Dunkle Speisen würden frühmorgens als deprimierend empfunden, und die Firma wollte den frühstückenden Marmite-Fans einen fröhlichen Tag in den Start ermöglichen. Aber in den Handel schaffte es diese bahnbrechende Innovation nie.
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