Streitkultur und Sprachkultur sind zweierlei, aber manchmal passen sie ganz gut zusammen. Hickhack im britischen Parlament hat einen neuen Begriff geprägt, der plötzlich in aller Munde ist: „omnishambles“.
Die Stadt York hat eine kleine Gasse namens „The Shambles“. Es ist eine besonders hübsche und saubere Gasse mit alten Häuschen, und deshalb verwundert es, dass sie so heißt – „shambles“ bedeutet „Scherbenhaufen“ oder „hoffnungsloses Durcheinander“. Der Begriff erlebt gerade eine kleine Renaissance, und zwar in Gestalt der Wortschöpfung „omnishambles“. Das kam so: Bei der Fragestunde des Premierministers im Parlament schimpfte Oppositionsführer Ed Milbrand wie ein Rohrspatz, der Haushaltsentwurf der Regierung sei „omnishambles“, also in jeder Hinsicht und ganz und gar missraten.
Seitdem taucht das Wort mit schöner Regelmäßigkeit in den britischen Medien auf und wird sicher bald im Oxford Dictionary stehen. Es ist keine Erfindung des Labourpolitikers, sondern aus einer Fernsehserie entliehen (oder geklaut). In der Politsatire „The Thick of It“ muss sich eine Politikerin von ihrem PR-Manager anhören, sie sei völlig unfähig und produziere nichts als „omnishambles“.
Tatsächlich bedeutete „shambles“ – ein Pluralwort, das im Singular gebraucht wird – im Mittelalter „Schlachtbank“. Die Gasse in York war eine Metzgersgasse. Dass dieses Wort zum Synonym für Unordnung und unprofessionelles Arbeiten geworden ist, hat möglicherweise mit dem Arbeitsethos der Metzger vergangener Epochen zu tun. Wohin mit den Fleischabfällen? Schmeißen wir sie doch einfach auf die Straße und kippen das Blut hinterher – „shambles“!
Das Bild der Schlachtbank passt wiederum gut zum Parlament, denn der Umgangston ist rüde, besonders in der Fragestunde. Regierung und Opposition sitzen sich ganz, ganz nah gegenüber auf den legendär unbequemen grünen Polstersitzen und schreien sich an. Dabei schreien sie nie direkt miteinander, sondern wählen stets den Umweg über den „Speaker“, genau wie ein hoffnungslos zerstrittenes Ehepaar die Kinder anweist: „Sag deinem Vater …“, „Sag deiner Mutter …“.
Nun, das hat alles eine lange Tradition. Trotzdem kommt gelegentlich etwas Neues dabei heraus, und sei es nur ein Modewort.
Leserbriefe (1)
Petra Geib
am 30.05.2016I like it!!!