Modetrends kommen und gehen. Mal sind es funkelnde Pailletten, mal hauchdünner Chiffon, die den Ton angeben und nach nur einer Saison wieder aus den Schaufenstern verschwinden. Tweed gehört definitiv nicht dazu. Der robuste Stoff ist einer der wenigen Konstanten im britischen Modeuniversum. Ursprünglich für windgepeitschte Moorlandschaften und regennasse Jagdausflüge gewebt, hat er sich vom schottischen Hochland bis in königliche Kleiderschränke und auf internationale Laufstege gearbeitet. Im Spätsommer ist Tweed wider Erwarten besonders praktisch: Lässig über das Sommerkleid geworfen, macht er die kühler werdenden Abende warm und die der morgendlichen Hunderunde im Wald erträglich.
Von den Highlands zur High Society
Im 19. Jahrhundert aus reiner Schurwolle gefertigt, war Tweed zunächst reines Arbeitsmaterial. Robust, wetterfest und unverwüstlich schützte er Landbesitzer bei der Jagd ebenso wie Bauern bei der Feldarbeit. Die britische Upper Class übernahm den Stoff rasch, nicht zuletzt, weil er sich perfekt in das Bild von Landgütern, Fuchsjagden und Reitausflügen und einfügte. Harris Tweed, per Hand auf den Äußeren Hebriden gewebt, bekam bald ein eigenes Gütesiegel und steht bis heute für Qualität. Später entdeckten Modehäuser wie Chanel und Vivienne Westwood den Stoff für sich, gaben ihm neue Schnitte, modernere Farben und machten ihn vom Landlust-tauglichen Arbeitskleid zum Must-have.
Royals und Ikonen im Tweed
Kaum ein Royal, der nicht schon in Tweed gesichtet wurde. Queen Elizabeth II. trug ihn über Jahrzehnte auf ihren Landgütern in Balmoral, König Charles machte den braun-grünen Fischgrät-Anzug zu seinem Markenzeichen. Heute führt Catherine, Princess of Wales, die Tradition fort, in figurbetonten Blazern von Alexander McQueen oder Emilia Wickstead, oft kombiniert mit Skinny-Pants und Pumps.
Abseits der Paläste setzen britische Stilikonen auf Tweed, allerdings mit urbanem Twist. Kate Moss wirft sich seit Jahrzehnten lässig in übergroße Tweedblazer, kombiniert mit Seidenkleidern und Ankle Boots, als wäre sie gerade aus dem Country-House-Weekend in den Cotswolds zurückgekehrt. Alexa Chung stylt Tweed mit Loafers und einer Portion Oxford-Attitüde, die gleichzeitig retro und vollkommen zeitgemäß wirkt.
Stilwechsel im Spätsommer
Tweed spielt seine Stärken genau dann aus, wenn Sommerkleider im Abendwind zu dünn sind und Wintermäntel noch im Schrank bleiben müssen. Ein karierter Blazer über einem Slipdress ist perfekt für die Dachterrasse in Notting Hill genauso wie für den sonntäglichen Spaziergang durch den Hyde Park oder im Englischen Garten. Ein Tweed-Mini mit grobem Strick obenrum ist in der Stadt ebenso zu Hause wie im Pub an der Küste, wenn draußen schon Nebelschwaden über den Strand ziehen. Wer das Countryside-Feeling ganz auskosten will, steigt in kniehohe Reitstiefel und braucht dann eigentlich nur noch den passenden Land Rover vor der Cottage-Tür.
Männliche Klassiker mit modernem Dreh
Auch bei Männern ist Tweed im Spätsommer längst kein Relikt aus dem Schrank eines Jagdpächters. Ein Fischgrät-Sakko kombiniert mit hellen Baumwollhosen ist der perfekte Kompromiss zwischen Landhaus-Flair und Stadtleben. Wer es eine Spur aristokratischer mag, zieht unter das leichte Sakko eine Weste – fertig ist der Lord-Grantham-Look. Ein dreiteiliger Tweedanzug wirkt auf Hochzeiten und Empfängen wie ein fester Händedruck: klar, verlässlich, ohne modischen Firlefanz. Dazu Brogues oder Chelsea Boots aus sattem Leder - ready for tea and tradition.
Styling mit Glanzfaktor
Damit Tweed nicht das Image des steifen Landadels bekommt, braucht er Gegenwehr und die gelingt am besten mit einem Hauch Glamour. Chanel beweist seit Jahrzehnten, dass ein Schuss Farbe im Garn, ein paar lässige Fransen und ein Goldknopf an der richtigen Stelle den Stoff problemlos in den Abend befördern. Wer es zeitgemäßer angeht, greift zum Hahnentritt-Mantel, trägt darunter Lederleggings und schlüpft in Slingbacks. Schmuck? Jetzt bloß nicht übertreiben. Perlen für tagsüber, feine Goldketten für abends. Für ein echtes Fashion-Statement sorgt eine knallige Tasche, gern in Bordeaux oder Smaragdgrün.
Tweed ist ein Statement. Er erzählt von Beständigkeit, von einer Liebe zum Handwerk und von der britischen Fähigkeit, Traditionen so zu tragen, dass sie plötzlich wieder modern wirken. Vor allem im Spätsommer, wenn das Licht goldener wird und die Tage kürzer, zeigt sich Tweed von seiner besten Seite – elegant, funktional und immer mit britischem Stilsiegel im Etikett.
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