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Ein Interview mit dem schottischen Autor Martin Walker

Martin Walker

Kriminalschriftsteller Martin Walker

Vom Auslandskorrespondenten zum Krimischriftsteller

Wir hatten das besondere Vergnügen, den schottischen Autor Martin Walker im Rahmen seiner Lesetour durch Deutschland interviewen zu können. Dabei gab er uns spannende Einblicke in seinen Weg vom internationalen Berichterstatter zum Kriminalschriftsteller. Er erzählte uns auch, warum er das französische Périgord als Kulisse ausgewählt hat.

Wie sind Sie auf die Idee für die Figur Bruno gekommen und was hat Sie inspiriert, die Serie im Périgord anzusiedeln?

Dank meiner Frau Julia haben wir dort ein Ferienhaus gekauft! Um ganz von vorne anzufangen: In den Siebzigerjahren war ich Auslandskorrespondent für „The Guardian“. Ich war im Nahen Osten. Dort traf ich einen französischen Kollegen, Michel, als wir zusammen im Libanesischen Bürgerkrieg waren, und wir wurden enge Freunde! Er traf seine Frau ungefähr zur gleichen Zeit, wie ich Julia traf. Wir haben zur gleichen Zeit geheiratet und unsere ersten Kinder wurden zeitgleich geboren. Seine Frau, Gabrielle, hat ein Anwesen im Périgord von ihrem Großvater geerbt. Michel und Gabrielle dachten, sie haben genug von dieser Art von Journalismus und diesem Lebensstil, und es sei an der Zeit, sich niederzulassen, Kinder zu haben und auf dem Land zu leben. Sein Plan war, Lokaljournalismus zu betreiben. Und sie wollte als Übersetzerin für Bücher arbeiten. Zu dieser Zeit waren Julia und ich in den 1980er-Jahren in Moskau für den Guardian tätig. Doch unter Gorbatschow war die Geschichte großartig, aber das Essen in Moskau war unaussprechlich schlecht. Und die Aussicht, auch ins Périgord zu gehen und bei unseren Freunden zu sein und sehr gut zu essen, war auch für Julia und mich verlockend.

Auch fing Julia etwa zu dieser Zeit an, darüber nachzudenken, sich niederzulassen, besonders wegen unserer Kinder. Und natürlich habe ich gesagt, du hast recht, gute Idee. Doch dann habe ich das alles vergessen. Etwas später war ich in Washington, um Bill Clinton im Weißen Haus zu interviewen. Ich musste ins Oval Office gehen, und genau in diesem Moment klingelte mein Handy. Es war Julia, die sagte: „Es ist mir egal, was du gerade machst. Lass alles stehen und liegen. Ich habe unser Haus gefunden.“ Ich hatte völlig vergessen, dass wir auf der Suche nach einem Haus waren. Aber sie hat es gefunden! Und so haben wir dieses Haus bis heute.

Anfangs war es so etwas wie ein Ferienhaus, aber dann faszinierte mich das Périgord immer mehr. Zuerst waren es die Höhlen und die Prähistorie. Und dann natürlich die Küche, der Wein. Ich fand das einfach großartig! Und durch einen Nachbarn bekam ich Kontakt zum Rugby-Club und zum Tennisclub. Beim Tennis traf ich einen wirklich netten Kerl, der seine Freizeit damit verbrachte, den Kindern Tennis und Rugby beizubringen. Er war Jäger und ein sehr guter Koch, und er war der örtliche Dorfpolizist. Er und ich wurden gute Kumpel. Er wurde mein Tennispartner. Wir sind immer noch gute Freunde, und er ist jetzt im Ruhestand.

Mein erstes Buch über diesen Landstrich hieß „The Caves of Périgord“ (dt. Ausgabe „Schatten an der Wand“) und handelte davon, welche Art von Gesellschaft sich aus den Höhlen von Lascaux und all dieser großartigen Kunst entwickelt haben könnte, während ich das mit dem Sommer 1944 in der Widerstandszeit verband. Es spielte alles im selben Tal an genau der gleichen Stelle.

Dann begann ich mit dem Schreiben des ersten Bruno-Buches. Obwohl ich ihn Piro nannte, was der Name des echten Polizisten ist. Julia, die früher in der Verlagswelt arbeitete, bevor ich sie zur Heirat verführte, sagte, als sie den ersten Entwurf las: „Das könnte etwas richtig Gutes werden. Aber du kannst ihn nicht Piro nennen. Er braucht einen internationalen Namen, so etwas wie Bruno.“ Und sie wies mich darauf hin, dass Verlage gerne Serien nehmen. Also schrieb ich 5 Absätze für jedes der nächsten fünf Bücher in dieser Serie. Und etwa drei Monate später wurde es in den USA, Kanada, Deutschland und die Niederlande verkauft, und jetzt ist die Reihe in 18 Sprachen übersetzt!

Ich hätte nie gedacht, dass es dieses Ausmaß erreichen würde, wirklich nicht. Und zum Glück scheine ich immer noch genug Ideen für die nächsten Bücher zu haben.

Warum haben Sie eine neue Stadt erfunden und nicht einfach Le Bugue benutzt?

Nun, es ist tatsächlich die Stadt, in deren Nähe wir leben, aber aus offensichtlichen Gründen habe ich ihr einen anderen Namen gegeben. Andernfalls würden alle Nachbarn fragen: „Wo bin ich denn in den Büchern?“

Saint Denis ist der beliebteste Name für Städte in Frankreich, also habe ich der Stadt einfach diesen Namen gegeben. Größtenteils handelt es sich um Le Bugue. Nur mag ich die Kirche dort nicht. Es ist eine langweilige Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Also habe ich eine schöne, wirklich alte Kirche und ein paar andere kleine Details aus einem nahegelegenen Dorf namens Trémolat eingefügt.

Stört es Ihre Freunde im Périgord, dass sie in Ihren Büchern auftauchen?

Jeder dort möchte in einem Buch auftauchen! Seitdem ich mit dem Schreiben angefangen habe, haben wir drei Bürgermeister gehabt. Jeder der drei ist überzeugt, dass er der Bürgermeister in den Büchern ist. Der Baron war ganz klar der Baron, leider ist er vor einigen Jahren im hohen Alter gestorben. Jean Jacques ist ein weiterer Nachbar, der ein pensionierter Gendarmerie-Hauptmann ist, und so weiter. Und dann verschiedene Jäger und Leute und die Restaurants. Das Restaurant, das ich erfunden habe, gehörte Ivan, einem Mann, der ein interessantes Leben führt. Er verschwindet, taucht mit einer Freundin aus einem anderen Land wieder auf und bietet dann Essen aus diesem Land an. Ich dachte, das wäre eine großartige Idee für ein Restaurant.

Das Essen, die Jagd, die Lebensweise, die Bedeutung von Cricket, Rugby und Tennis, der Chor, der Fluss – das sind alles Dinge, die ich einfach beobachte. Man muss nicht viel erfinden.

Ich denke, ich hatte wirklich Glück. Ich war die erste Person, die versucht hat, das Périgord so darzustellen, als wäre es eine Figur. Es ist ziemlich offensichtlich, wenn man darüber nachdenkt. Denn es ist eine so außergewöhnliche Region mit all ihrer Geschichte und Prähistorie und all dem Essen und dem Wein.

Die Buch-Serie bietet den Lesern eine Mischung aus Kriminalfällen, Geschichte und lokalen Bräuchen. Wie finden Sie ein Gleichgewicht zwischen diesen Elementen, wenn Sie eine Geschichte entwickeln?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ich habe immer schon viel gelesen, über Geschichte,Politik und Journalismus. Ich mag auch viele Kriminalromane, aber nicht alle. Und so schreibe ich einfach das Buch, das ich gerne lesen würde. Es ist nicht so, als hätte ich eine automatische Formel dafür. Aber da es funktioniert, denke ich, dass ich einfach Glück hatte und niemand sonst so etwas über das Périgord vor mir gemacht hat.

Als englischer Muttersprachler erfassen Sie meisterhaft die Nuancen und Feinheiten der französischen Kultur in Ihren Romanen. Wie meistern Sie die Herausforderungen, die Essenz des französischen Lebens und die subtilen Unterschiede beim Schreiben in der englischen Sprache zu vermitteln?

Ich habe schon immer das Reisen geliebt und gerne darüber geschrieben. Als ich zum ersten Mal nach Frankreich kam, war ich dreizehn Jahre alt und auf einem Schüleraustausch. Ich war ein kleiner Junge, trug kurze Hosen und eine Schulkappe, und ich war ein ziemlich junger Dreizehnjähriger. Ich war noch nicht mal im Stimmbruch! Mein Austauschschüler hieß Claude und war ein paar Jahre älter als ich. Er war etwa zwei Meter groß und träumte davon, Fallschirmspringer zu werden. Er und ich gingen auf den Boulevards spazieren, denn er lebte in einem Arbeiterbezirk von Paris. Wir spazierten auf den Boulevards, ich in kurzen Hosen, und er ragte über mir auf. Zu dieser Zeit begann er zu rauchen. Er beendete seinen Rundgang fast immer im Bereich von Clichy, wo er seine Augen über diese leicht bekleideten Damen schweifen ließ, die an den Straßenecken standen. Ich hatte keine Ahnung, worum es dabei ging.

Aber ich habe immer das Reisen geliebt. Als meine Frau Julia und ich vor 45 Jahren geheiratet haben, nahmen wir ein Jahr lang eine Auszeit und sind mit Rucksäcken gemeinsam um die Welt gereist. Und wir haben es immer geliebt, in der Welt herumzustöbern. Meine Mutter ist auch schuld daran, denn sie stammt von der Insel Barra in Schottland. Sie hat immer gesagt, Martin, das Leben ist kurz, die Welt ist groß, geh und sieh dir so viel wie möglich an. Also habe ich mir das zu Herzen genommen.

Im Laufe der Jahre hat sich Bruno als Charakter entwickelt, der sowohl berufliche als auch persönliche Herausforderungen bewältigt. Wie stellen Sie sich seine Reise in zukünftigen Romanen vor?

Ich denke tatsächlich gerade intensiv darüber nach. Meine Frau sagte zu mir, was auch immer du tust, verheirate ihn nicht. Denn wenn du ihn verheiratest, verlierst du die Hälfte deiner Leserschaft.

Ich bin mir da nicht so sicher, aber ich habe erkannt, dass Bruno reift und sein Charakter mit jedem Buch interessanter wird. In meinem Kopf habe ich die Vorstellung, dass er irgendwann den Bürgermeister ersetzen wird, also wird er nicht der Dorfpolizist bleiben. Aber das liegt noch in der Zukunft. Was zum Teufel er in Bezug auf Frauen und sein Liebesleben tun wird, weiß ich nicht. Was ich beschlossen habe, ist, dass Saint Denis ein magischer Ort ist, an dem Bruno und seine Freunde nicht altern. Selbst wenn ganz Frankreich um sie herum altert.

Haben Sie jemals darüber nachgedacht, über Schottland zu schreiben?

Ja, habe ich tatsächlich! Ich habe an einer Mordgeschichte gearbeitet, die auf den Inseln der Äußeren Hebriden spielt. Aber ich habe sie vorerst beiseitegelegt, weil ich wieder an einem Bruno-Buch schreibe. Und ich habe jetzt an den beiden Kochbüchern und dem Buch über das Périgord gearbeitet, und an dieser neuen Sammlung von Kurzgeschichten. Es gibt immer etwas anderes, das ich tun muss. Und ich möchte ein Leben haben. Ich möchte nicht den ganzen Tag an meinem Schreibtisch sitzen. Ich möchte Bücher lesen. Ich möchte mehr von Frankreich und von der Welt sehen. Der Tag hat nur 24 Stunden.

Neben Ihrer Tätigkeit als Romanautor hatten Sie eine lange und angesehene Karriere im Journalismus. Wie hat Ihre Erfahrung als Journalist Ihre Arbeit als Schriftsteller beeinflusst?

Ziemlich stark, denn als man mich Anfang der 1980er-Jahre nach Moskau schickte, um das Büro des Guardian dort zu eröffnen, war ich kein Moskau- oder Sowjetexperte. Ich hatte Geschichte an der Universität studiert und kannte daher einige Hintergründe. Die meisten Journalisten in dieser Zeit in Moskau waren jedoch echte Sowjetexperten. Sie führten kleine Akten über die Mitglieder des Zentralkomitees und der regionalen kommunistischen Parteien und verfolgten ihren Weg und ihren Aufstieg und sagten: „Ah, der ist ein paar Stufen auf der Leiter nach oben geklettert.“ Davon hatte ich keine Ahnung! Ich wollte einfach über Dinge schreiben, die ich interessant fand.

In den siebziger Jahren, als ich gerade beim Guardian angefangen hatte, hatten wir fast nichts im Blatt über Rockmusik. Also ging ich zum Chef und sagte: „Sie sagen immer, Sie wollen junge Leser gewinnen. Das wichtigste kulturelle Phänomen für die meisten jungen Menschen ist Rockmusik.“ Er sagte: „Nun gut, Martin, aber in deiner Freizeit, also lass es nicht deine eigentliche Arbeit beeinflussen.“ So war ich dann bei der Weltpremiere von „The Dark Side of the Moon“ mit Pink Floyd dabei. Ich war bei der Veröffentlichung von „Aladdin Sane“ mit David Bowie dabei. Ich war bei Mick Jaggers Hochzeit im Blenheim Palace mit Bianca. Ich war auf Tour mit der Band „Procol Harum“. Ich hatte eine tolle Zeit!

Als ich nach Moskau kam, dachte ich, es muss irgendwo einen lokalen Rockmusik-Journalisten geben. Und ich fand einen Kerl, der gelegentlich für die „Komsomolskaja Prawda“ schrieb, die aus der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei stammte. Ich nahm Kontakt mit ihm auf und wir gingen zusammen zu Underground-Rockkonzerten.

Viele dieser Konzerte waren von Kindern besucht, die von Elite-Universitäten kamen und deren Eltern in der sowjetischen Hierarchie gerade aufstiegen. Ich befand mich irgendwie in Kontakt mit diesen Leuten, bekam eine ziemlich andere Sichtweise auf sie und ihre Kinder, die in meinem Alter waren. Ich reiste an Orte wie Riga und Tallinn. Diese sind in den baltischen Staaten, die viel offener für das westliche Leben waren.

Ich bekam also eine ganz andere Sichtweise. Ich ging auch sehr oft ins Theater und zum Ballett, und ich lernte Schauspieler und andere intellektuelle Menschen kennen. Und von Zeit zu Zeit fand ich mich in der Gesellschaft einer wirklich interessanten Frau namens Raissa Gorbatschowa, deren Mann bald das Oberhaupt des Staates werden sollte. Sie war eine wirklich beeindruckende Frau! Klug, interessant und sie entsprach überhaupt nicht dem Bild, wie die Frau eines sowjetischen Spitzenpolitikers sein sollte. Ich bekam also einen anderen Einblick in das Leben. Auch reiste ich so viel wie möglich, ichhatte eine großartige Zeit.

Das war in gewisser Weise auch genau das, was ich im Périgord gemacht habe. Ich wollte eintauchen, indem ich viele der lokalen Archäologen und Historiker und die Leute, mit denen ich Tennis spielte, kennenlernte. Von den Jägern lernte ich alles über das Kochen im Freien und solche Dinge.

Die Art und Weise, wie ich meinen Journalismus betrieben habe, beeinflusst die Art und Weise, wie ich an meinen Büchern arbeite.

Also war der Wechsel von Sachbüchern zur Belletristik für Sie nicht wirklich ein großer Schritt?

Nicht wirklich, nein! Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich in gewisser Weise wie ein Journalist schreibe. Ich mag ein bisschen Action. Ich mag das Erschaffen von Szenen, und ich mag das Erklären von Dingen. Ich erkläre gerne, wie man etwas kocht. Oder wie man ein Rugby-Spiel spielt oder wie man seinen Hund auf die Jagd vorbereitet. Ich mag es, das zu erklären. Das ist der Journalist in mir.

Es gibt ein schönes Zitat von Kurt Vonnegut, einem der großen amerikanischen Autoren. Er sagt, unerwartete Reiserichtungen sind Tanzstunden Gottes. So fühle ich mich irgendwie im Leben. Das Unerwartete soll so sein! Das ist das alte Sprichwort meiner Mutter. Es ist eine große Welt. Das Leben ist kurz, genieße es.

Welchen Rat würden Sie aufstrebenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern geben, insbesondere denen, die sich für das Schreiben von Krimis oder Detektivgeschichten interessieren?

Schreibt jeden Tag! Hört nie auf zu schreiben, es spielt in gewisser Weise keine Rolle, worüber ihr schreibt. Ihr müsst diese Fertigkeit verfeinern und versuchen, verschiedene Dinge zu schreiben. Versucht, einen Ratgeberartikel darüber zu schreiben, wie man etwas tut. Versucht, über Essen zu schreiben. Versucht, über Kleidung zu schreiben. Versucht, über eure lokale Nachbarschaft und das, was sie einzigartig macht, zu schreiben, und so weiter. Schreibt einfach! Schreibt! Schreibt! Das ist der einzige Rat, der zählt.

Vielen Dank.

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