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Die feine englische Art

Zum 125. Geburtstag von Henry Moore

Die Großplastik 'The Arch' von Henry Moore in London in Kensington Gardens

'The Arch' von Henry Moore in London, Kensington Gardens

Der Meister der Vitalität

Die Werke von Henry Moore sind unverwechselbar: Abstrakte und gleichzeitig sehr konkrete Figuren, Körper und Körperteile, die spannungsvoll zueinander arrangiert sind und mit ihrer Umgebung in Kommunikation stehen, sind ein Blickfang im öffentlichen Raum. Und erst recht in der offenen Landschaft Yorkshires, der Heimat von Henry Moore, entfalten die Werke dieses Ausnahmekünstlers eine ganz eigenartige Anziehungskraft.

Wer einmal überraschend eine Moore-Skulptur entdeckt hat und sich dann dabei „erwischt“, wie die Figur den Blick magnetisch anzieht und dazu zwingt, zu verweilen und sich genauer mit ihr auseinanderzusetzen, hat erlebt, dass man sich der Wirkung dieser Werke kaum entziehen kann.

Skulpturen von Moore sind aber nicht nur wegen ihrer Ausdruckskraft von Toronto in Kanada bis Hakone in Japan in großen und kleinen Orten auf der ganzen Welt zu finden. In Großbritannien, und dort vor allem in Leeds und Hertfordshire, wo auch die von Henry Moore im Jahr 1977 gegründete „Henry Moore Foundation“ sitzt, sind die meisten Stücke zuhause.

Als bedeutendster Bildhauer Großbritanniens in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts bekam er zahlreiche öffentliche Aufträge. Und weil er überzeugt war, dass Kunst im öffentlichen Raum besonders wichtig für die Gesellschaft ist, tat er noch mehr, damit seine Werke auch dauerhaft sichtbar bleiben: Er schenkte sie zahlreichen Stiftungen und Institutionen weltweit, immer verbunden mit der Bedingung, dass sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch

Henry Moore wurde im Jahr 1898 in Castleford in West Yorkshire geboren. Von seinen Eltern dazu bestimmt, Lehrer zu werden, musste er sich mit Unterstützung seines Kunstlehrers, der früh das außergewöhnliche Talent des Jungen erkannte, gegen den Willen der Eltern durchsetzen. Schließlich wurde er nach seiner Rückkehr aus dem ersten Weltkrieg im Alter von 21 Jahren Student der Bildhauerei an der Leeds School of Arts.

Nachdem die anfänglichen Hindernisse überwunden waren, machte Henry Moore eine für einen Künstler geradezu kometenhafte Karriere: 1921 erhielt er aufgrund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg ein Stipendium am Royal College of Art in London, und bereits im Sommer 1924 schloss er sein Studium ab. Da er einen Lehrauftrag am Royal College of Art erhielt, konnte er seine Arbeiten fortführen.

Nach seiner Übersiedlung nach London machte er im British Museum Bekanntschaft mit mexikanischen Plastiken sowie der Kunst der Naturvölker. Vor allem „Chacmool“, eine präkolumbianische Statue, die eine auf dem Rücken liegende menschliche Figur darstellt, wobei der Kopf und der obere Rücken erhoben sind und die Figur nach rechts gewandt den Betrachter anschaut, während sie ein Gefäß über ihrem Bauch hält hat ihn fasziniert.

Die reduzierte Formensprache und auch der Typ der liegenden Figur, deren Körperhaltung alles andere als entspannt ist, zieht sich durch das gesamte Lebenswerk Moores. Ein gutes Beispiel für die Auseinandersetzung mit dieser Form ist die Bronzestatue „Reclining Figure: Festival“ von 1951, die in Edinburgh im Garten der Scottish National Gallery of Modern Art zu finden ist.

Daneben waren die Arbeiten Picassos und natürlich die berühmten Statuen der antiken Meister mit ihren ausgeklügelten Faltenwürfen stilbildend für seine Werke. Und von Brancusi übernahm er die überaus anspruchsvolle Technik des „direkten Schnitzens“, also der unmittelbaren Arbeit am endgültigen Material, was für die britische Bildhauerei zu dieser Zeit absolut innovativ war.

Sein Studio in Hampstead in London wurde schnell zum Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde. Anfang der 1930er-Jahre stieg er schließlich zum Leiter der Bildhauer-Klasse an der Chelsea School of Art auf. Er reiste in der Folge mehrmals nach Paris, wo er sich mit Picasso, Braque, Hans Arp und Alberto Giacometti austauschte.

Weltruhm mit Zeichnungen

Doch Moores weltweiter Durchbruch gelang ihm zuerst mit Zeichnungen: Während der Bombenangriffe auf London im Verlauf des zweiten Weltkriegs erhielt Moore Aufträge als „War Artist“. Seine Motive fand er bei den Menschen, die Schutz in den U-Bahn-Schächten suchten. Und genau diese Zeichnungen sollten ihn nach dem Krieg zuerst in den USA und dann auch international bekannt machen.

Auch das Studio in Hampstead fiel einem Bombenangriff zum Opfer. Henry Moore siedelte daraufhin mit seiner Frau nach Perry Green in Hertfordshire über, der Ort, an dem sich heute der Skulpturenpark „Perry Green“ der Henry Moore Foundation befindet.

Bereits 1946 ehrte ihn das Museum of Modern Art in New York mit einer Ausstellung und 1948 erhielt er den internationalen Skulpturen-Preis der Biennale in Venedig.

Von 1957 bis 1986 festigte Henry Moore seine Bedeutung als Großplastiker – er erhielt weltweit kommunale und staatliche Aufträge. So hat er wie kaum ein zweiter den öffentlichen Raum speziell auch der Bundesrepublik Deutschland mit seinen Bronzeskulpturen geprägt.

Zuerst 1961 in Berlin, später dann auch in Duisburg, München, Düsseldorf, Münster und Goslar. Auch die berühmte „Large Two Forms“, die seit 1979 vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn steht, stammt von Henry Moore. Sie wurde von Helmut Schmidt, einem großen Bewunderer des Künstlers, persönlich dorthin beordert.

Aufgrund der zahlreichen Aufträge konnte Henry Moore ein nicht ganz unbedeutendes Vermögen aufbauen. Im Jahr 1977 gründete er deshalb die „Henry Moore Foundation“ als gemeinnützige Stiftung. Ziel ist es, die öffentliche Wahrnehmung der Kunst zu fördern und natürlich auch seine Skulpturen zu erhalten. Heute unterhält die Stiftung das Farmhaus Hogland als Galerie und Museum. Wer bald mal wieder nach Großbritannien reist, sollte der Henry Moore Foundation unbedingt einen Besuch abstatten.

Aktuelle Ausstellungen

In diesem Jahr gibt es in Hertfordshire noch bis zum 29. Oktober die Ausstellung „Vitality: The Human Landscapes of Henry Moore“. In einem kurzen Trailer (Youtube-Video) gibt die Kuratorin Dr. Hannah Higham einen schönen Einblick, was Sie dort erwartet.

Und wer zufällig in Yorkshire unterwegs ist: Im Yorkshire Sculpture Park in West Bretton sind einige weitere Werke Henry Moores zu sehen.

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