Gedenkstätte für Heldinnen und Helden des Alltags
Postman´s Park, der Park der Briefträger, liegt in der Nähe von St. Paul´s Cathedral und ist eine der ungewöhnlichsten Grünanlagen Londons. Früher machten dort die Angestellten der ehemaligen Hauptpost ihre Mittagspause – daher der Name. Zu Ruhm und Ehren kam dieser idyllische Ort mitten im Citytrubel aber aus einem völlig anderen Grund: Er enthält eine Gedenkstätte für Menschen, die andere gerettet und dafür ihr Leben hingegeben haben. Diese Heldinnen und Helden, darunter auch ganz junge, wären ansonsten längst vergessen. So aber erinnern 54 Keramikplaketten an einer großen überdachten Mauer an ihren Mut. Und es ist auch noch Platz für weitere.
Die Unglücke, derer dort gedacht wird, haben sich zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Jahr 2007 ereignet:
- So hat ein Dreizehnjähriger seine Freunde vor dem Ertrinken bewahrt, ging aber selbst unter.
- Ein Kindermädchen rettete die ihr anvertrauten Kleinen und starb in den Flammen.
- Ein Polizist zog eine Frau von den Gleisen, konnte der Lok jedoch nicht mehr ausweichen.
- Eine junge Frau stellte sich einem durchgehenden Pferd in den Weg, um ein Kind zu beschützen.
- Eine Stewardess auf einem Passagierschiff überließ jemand anderem ihre Schwimmweste.
Die Geschichten werden auf den Kacheln in wenigen sachlichen Worten erzählt, sind aber sehr bewegend und eindringlich. Derzeit wird darüber gesprochen, für den 20-jährigen Folajimi Olubunmi-Adewole eine Plakette anzubringen, der im April dieses Jahres beim Versuch, eine Frau aus der Themse zu ziehen, ertrank. Die Frau überlebte.
George Frederic Watts und seine zweite Frau Mary Fraser Tytler, ein sozial engagiertes Künstlerpaar, haben die Idee zu dieser bemerkenswerten Gedenkstätte entwickelt. Watts erlebte die Einweihung im Jahr 1900 nicht mehr, aber seine Frau führte das gemeinsame Projekt weiter.
Der Park wird des Öfteren als Kulisse für Spielfilme genutzt, zuletzt in „Eine Handvoll Worte“ auf Netflix: Das Paar, das nicht zueinanderkommen kann, trifft sich heimlich dort. Allerdings wird die Gedenkstätte nicht erwähnt, man sieht nur einen Briefträger durchs Bild laufen. Anders im Film „Hautnah“ („Closer“) aus dem Jahr 2004, in dem sich eine junge Frau – gespielt von Natalie Portman – den Namen Alice Ayes zulegt, um eine neue Identität zu schaffen. Alice war das oben erwähnte mutige Kindermädchen, das 1895 ums Leben kam.
Beim nächsten Besuch in London also ruhig mal vorbeischauen bei den Heldinnen und Helden des Alltags! Sie haben es verdient.
Leserbriefe (1)
Bettina Scheuerich-Wagner
am 29.09.2021es ist schon ergreifend, wenn man vor den Kacheln steht und über die tragischen Ereignisse liest. Eine wunderschöne Idee um Zivilcourage und Mut zu ehren.