Der Herr der Osterglocken
Betrübt läuft er am Seeufer entlang, doch dann lässt der Anblick leuchtend gelber Narzissen sein Herz vor Freude tanzen: Darum geht es in einem Gedicht, das im englischen Original eigentlich „I wandered lonely as a cloud“ heißt, aber als „The Daffodils“, die Osterglocke, bekannt ist. Nur hat William Wordsworth, der Dichter, es in viel schönere Worte gekleidet – es ist eines der bekanntesten Werke der Poesie in englischer Sprache. Gerade in diesen trüben Tagen können wir seine Worte gut vertragen, ebenso wie den Anblick der gelben Frühlingsboten durchs Fenster!
Wordsworth lebte im Lake District in Grasmere, „the loveliest spot that man hath ever found“, wie er schwärmte: der lieblichste Fleck auf Erden. Sein Häuschen „Dove Cottage“, in dem er mit seiner Schwester Dorothy und später mit seiner Frau Mary und den Kindern wohnte, ist heute ein Museum, das hoffentlich bald wieder zu besuchen ist.
Der Dichter war ein begabter und bemerkenswerter Mann, der seinen Horizont mit – damals sehr beschwerlichen Reisen – erweiterte und politisch interessiert war. So begeisterte er sich zunächst für die Französische Revolution und fuhr nach Frankreich, um die Umbrüche selbst mitzuerleben. Mit Beginn der Terrorherrschaft, in der die Revolution „ihre Kinder fraß“, änderte er seine Meinung radikal und wandte sich enttäuscht ab. Eine Liebesgeschichte aus dieser Zeit bescherte ihm 1792 eine nicht eheliche Tochter, zu der er trotz der Wirrungen der Zeit Kontakt zu halten versuchte, was letztendlich gelang. Er bereiste auch Deutschland und lebte eine Zeitlang in Goslar.
Obwohl Wordsworth Geldsorgen hatte, war er keineswegs der Typ „verkannter Künstler“, sondern schon zu Lebzeiten erfolgreich und geschätzt. 1843, sieben Jahre vor seinem Tod, wurde ihm der Ehrentitel des „Poet Laureate“ verliehen – als Hofdichter schrieb er nun auch Gedichte für offizielle Anlässe. 1850 starb er im Alter von 80 Jahren.
Die Inspiration zu seinen „Daffodils“ kam ihm bei Spaziergängen mit Dorothy am See Ullswater. Interesse? Hier gibt es das Gedicht in einer deutschen Übersetzung und im Original zu lesen: https://worteundorte.wordpress.com/2014/10/26/im-tal-der-narzissen-mit-william-wordsworth/
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