Einfach mal was Neues lernen
„Go on, have a go!“ Dieser kleine Satz heißt, frei übersetzt: Gib dir einen Ruck, probier's einfach mal. So ermutigen Eltern ihre Kinder, etwas Neues zu versuchen, zum Beispiel vom Beckenrand zu springen, ein Beet anzulegen oder was auch immer. Unter dem Titel „Have a Go“ steht auch der September im Vereinigten Königreich. Die Zielgruppe sind aber diesmal die Erwachsenen, und es geht ums Lernen – ein Leben lang.
Ein Volkshochschul-System wie unseres, das schon im 19. Jahrhundert erstanden ist, hat es in Großbritannien trotz selbstbewusster Arbeiterbewegung nicht gegeben. Erwachsenenbildung wird natürlich trotzdem angeboten, aber sie ist nicht so präsent im Alltag und in den Köpfen. Der „Probier's-mal-aus-Monat“ will das ändern. Um zu zeigen, was durch Bildung möglich ist, werden Preisträger gekürt, die es trotz schwieriger Startbedingungen weit gebracht haben. Allein zwei junge Leute, die in Pflegefamilien aufwuchsen, sind dieses Jahr darunter. Aber es geht nicht nur um Karriere und Aufstieg, sondern auch um die Bereicherung und neue Erfahrungen.
Mit dem Lernen ist es ja so eine Sache. Kinder und Jugendliche sind von Natur aus wissbegierig, trotzdem verlieren viele die Lust an der Schule – das kann vielfältige Gründe haben, aber eins ist klar: Sprüche wie „nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ helfen nur sehr bedingt weiter. Erwachsene haben meist schon kapiert, dass sie den Erfolg selbst in der Hand haben, und sind deshalb die motivierteren „Schüler“. Wer schon berufstätig war, kann sich auch einigermaßen organisieren und damit ausgleichen, was an Auffassungsgabe vielleicht schon wieder verloren geht. Denn da sind die Kids eindeutig fixer und haben auch das bessere Gedächtnis.
In den Bildungsmonat fällt – am 8. September – auch der Weltalphabetisierungstag der Vereinten Nationen. Dabei geht es um das wichtigste Lernziel von allen: lesen und schreiben zu können. Auch in Gesellschaften mit etabliertem Schulsystem rutschen immer wieder Menschen durch das Raster und verlassen die Schule mit sehr schwachen Kenntnissen. In England sollen rund 16 Prozent der Bevölkerung betroffen sein, in Deutschland etwa 14 Prozent. Die Folgen sind fatal, denn viele Berufsmöglichkeiten bleiben verschlossen. Hinzukommt, dass sich die Betroffenen schämen, obwohl sie keine Schuld daran haben, und sehr viel Kraft investieren, um ihren Analphabetismus zu verbergen – Kraft, die viel besser genutzt werden könnte. Es ist aber nie zu spät, lesen und schreiben zu lernen.
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