Nicht nur der Mai ist Hochsaison für Hochzeiten, auch die romantische Vorweihnachtszeit. Deshalb begegnet man derzeit in Großbritannien noch mehr „stags“ und „hens“ als sonst. Denn der Junggesellen- oder auch Junggesellinnen-Abschied hat dort tierische Namenspaten: Die Männer sind „Hirsche“ und die Frauen „Hennen“. Im ersten Fall kommt der Ausdruck wohl vom Hirschgeweih, das früher in feinen Häusern das sogenannte Herrenzimmer zierte und unter dem die Männer bei Brandy im Tabakqualm saßen. Dass die Frauen dagegen als Hennen bezeichnet werden, soll wohl auf das Gelächter anspielen, das bei fröhlichen Runden gelegentlich auftreten kann.
Eigentlich ist die Idee, mit den Freunden oder den Freundinnen in die Hochzeit quasi hineinzufeiern, ja wirklich nett (und auch bei uns üblich, während der „gemischte“ Polterabend sich fast ganz verabschiedet hat). In den letzten Jahren allerdings ist das Ganze etwas aus dem Ruder gelaufen. An einem einzigen Abend in Newcastle im Norden Englands, das als Partystadt gilt, sind wir nacheinander begegnet: einer Gruppe schwankender Männer, die mit Bärenfellen oder Badvorlegern bekleidet waren (im November! Aber die Engländer sind ja nicht so verfroren wie wir Festland-Europäer). Einer Gruppe schwankender Männer, die den Bräutigam in einem Käfig durch die Stadt zogen. Einer Gruppe schwankender Männer, die sich mit Türstehern anlegten. Von den schwankenden Frauen fangen wir jetzt nicht an, es waren sechs Gruppen, die entweder Motto-T-Shirts, rosa Hasenöhrchen, Feenkostüme oder (und das war die Mehrheit) so gut wie gar nichts trugen.
Aus sehr bürgerlichen Kreisen hört man dagegen die Klage, der Abschied vom Single-Dasein habe sich zu einer Mammutaufgabe entwickelt, zu bewältigen von den jeweiligen Trauzeugen und zudem auf eigene Kosten. Die können bei einem verlängerten Wellness-Wochenende oder einem Segeltörn vor der Küste ganz schön hoch sein – und dann hat man das Hochzeitsgeschenk noch gar nicht gekauft.
Nun will man ja kein „spoilsport“ sein, wie Spielverderber auf Englisch heißen. Aber mal ehrlich, manchmal ist weniger mehr. Hochzeiten sind sogar noch schöner, wenn Braut und Bräutigam nicht vorher tagelang gefeiert haben und das „I do“ zeitgerecht und klar herausbringen. Debrett´s, der englische Knigge, weiß in allen Lebenslagen Rat, so auch in dieser: Ein Junggesellen-Abschied kann mit einem gemütlichen Abendessen im Haus der Braut oder des Bräutigams beginnen, wobei sogar Mutter oder Vater teilnehmen dürfen. Erst dann geht man aus (aber ohne Mutter oder Vater). Eingeladen werden nur Freundinnen und Freunde, die auch zur Hochzeit kommen. Wird ein Wochenende daraus gemacht, dann behält man das Budget des ärmsten Gastes im Auge und bucht nichts, was der (oder die) sich nicht leisten kann. Statt anzüglicher Präsente schenkt man der Braut oder dem Ehrengast lieber etwas Persönliches wie etwa ein Album mit Fotos und Widmungen, zu dem alle etwas beitragen können. Ausgelassen darf es trotzdem werden, und Hasenöhrchen oder Hirschgeweihe passen ja eigentlich immer!
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